Die “Tagfahne” (links), die “Nachtfahne” (rechts) an der ältesten gothischen Kirche in Deutschland, der Elisabethkirche der Universitätstadt Marburg.
Das Fahnenprojekt der Stadt Marburg:“Aufbrüche — Reformation 2017”
Mein Entwurf:“Von der Revolution zur Evolution“oder “Was ist uns heilig?
Im Jahr des Reformationsgedenkens rücken die bahnbrechenden Veränderungen der Reformation über das historische Ereignis hinaus in unseren Blick. Luther, einer der zentralen Reformatoren, ist zwar für die Spaltung der Kirche und das Entstehen der evangelischen Kirche von entscheidender Bedeutung, repräsentiert aber für alle Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen einen historischen Bewusstseinssprung: Das Individuum erfährt und begründet seinen kirchenunabhängigen Gottesbezug. Im Jahre 2017 ist eine Bewusstseinsfortentwicklung zur Autonomie des freien, schöpferischen Menschen aktueller denn je und stellt heute jeden vor die Frage, was ihm heilig ist.
In Worten und Symbolen können wir zur ursprünglichen Heiligkeit, d. h. zur inneren Bedeutung und Ganzheit vordringen, wenn wir es uns gelingt alle Korrumpierungen, die diese Symbole erfahren haben, bei Seite lassen zu können:
Martin Luther kennzeichnete seine Schriften mit der sogenannten Lutherrose. So sah er seine Handlungsmaxime der überpersönlichen Alchemie der weißen Rose mit rotem Herz und schwarzem Kreuz, eingebettet in goldumrahmtes Himmelsblau, verbunden.Dies waren ihm die heiligsten Insignien. In der Abgeschiedenheit seines Turmzimmers ringend mit Gott erfuhr er sein wichtigstes Einweihungserlebnis. Dies war der unverrückbare Grundstein seines Wirkens.
In meinem Entwurf der Fahnen für das Reformationsgedenken vom Kulturamt der Universitätsstadt Marburg ausgelobt, habe ich folgende Gedanken zu Grunde gelegt:
Die “Tagesfahne” steht für das Tagesbewusstsein, die “Nachtfahne für das Unterbewusstsein.
Je länger ich mich damit beschäftige, bin ich sogar überrascht fest zu stellen, das durch beide Fahnenentwürfe das Yin und Yang zum Ausdruck kommt: Die Tagesfahne repräsentiert die männliche Seite, die Nachtfahne die weibliche.(Wer zur einer zeitgemäßen Bedeutung des Ying/Yang mehr erfahren möchte, lese dazu im spannenden “Weibliches Manifest” von Maitreyi D.Piontek)
Die fünfblättrige Rose trägt in sich das Pentagramm: Das Zeichen des Menschen. Die weiße Blüte meint den nach Lauterkeit Strebenden. Das Herz als Agape, die göttliche Liebe, jetzt hier in der Farbe Purpur, die nämlich für die Religio steht, die Rückverbindung zum Überpersönlich-Göttlichen. Die Transformation des schwarzen zum ergrünten Kreuz, das nun zum frischen Spross wurde, ist das Zeichen der Auferstehung Christi, der den Tod überwand. Der goldene Ring wurde zum gelben Schein und kündigt wie eine Glorie den Beginn des immateriellen Leuchtens an, in dem der Materialismus vom kulturell-kreativen Bewusstsein abgelöst ist: Jeder Mensch, als schöpferisches Wesen, hat das Potential zum Aufbruch. Als freies Wesen kann er sich jenseits von jeglicher Religion und politischer Meinung mit der absolut neuen evolutiv wirksamen Auferstehungskraft verbinden. Die Auferstehungskraft ist wirksam im ICH, dass unsere Maske der Persönlichkeit überstrahlt und dennoch ist sie noch ein heiliges Mysterium. Dieses ICH ist noch ein Baby, ein Keimling, aber es ist in uns allen, egal welcher Religion, Hautfarbe und Rasse und es wächst genährt durch die Kraft der Auferstehung, die an Ostern gefeiert wird. Und deshalb ist mir als Mensch und nicht als Angehöriger einer Religion Ostern heilig. Frohe Ostern!